Der letzte ernsthafte Versuch, den Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern wieder Leben einzuhauchen, ist schon wieder vergessen. Er wurde im Frühjahr 2014 unternommen, auf ihn folgten die Gräuel von Gaza. Es war das letzte Mal, das der leblose Körper, den man den Friedensprozess nennt, aus der Leichenhalle geholt und wiederbelebt wurde, bevor man ihn zurücklegte. Jeder weitere Versuch wird auch nicht mehr Sinn ergeben als die bisherigen.

Es ist also höchste Zeit, dass wir alle zu einem würdigen Begräbnis zusammenkommen: für den Friedensprozess und die Zwei-Staaten-Lösung, die ihm zugrunde liegt. Nach einer angemessenen Zeit der Trauer können wir vielleicht über einen alternativen Weg in die Zukunft nachdenken, der auf einer Ein-Staaten-Lösung basiert.

Die Grabrede würde sich den Oslo-Verträgen von 1993 widmen, die der Höhepunkt des kurzen und nicht sehr vielversprechenden Lebens dieses Prozesses waren. Sie waren ein zweigeteiltes Ereignis: Zum einen gab es die "Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung" (Oslo I), die am 13. September 1993 auf dem Rasen des Weißen Hauses feierlich unterzeichnet wurde. Und dann war da das im Verhältnis weit weniger gefeierte "Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen" (Oslo II), unterschrieben im September 1995 im ägyptischen Taba, das die Umsetzung der Prinzipienerklärung skizzierte – gemäß ihrer israelischen Interpretation.

Die israelische Interpretation war, dass die Oslo-Verträge lediglich die internationale wie auch palästinensische Bekräftigung der Strategie waren, die Israel 1967 gegenüber den besetzten Gebieten formuliert hatte. Seit dem Krieg von 1967 war jede Regierung entschlossen, das Westjordanland als Teil Israels zu erhalten. Für sie war es sowohl das Herz des historischen Heimatlandes als auch strategisches Kapital, das eine Zweiteilung des Landes verhindern würde, sollte ein neuer Krieg ausbrechen.

Die politische Elite Israels wollte den Menschen, die dort lebten, nicht die Staatsbürgerschaft zuerkennen, zog aber auch ihre Vertreibung nicht ernsthaft in Betracht. Der erste palästinensische Aufstand 1987 machte jedoch die Kosten der Besatzung deutlich. Er brachte die internationale Gemeinschaft dazu, von Israel eine Klarstellung seiner Pläne für die Zukunft des Westjordanlands und des Gazastreifens zu verlangen. Für Israel war Oslo diese Klarstellung.

Oslo war für Israel die Lösung eines Paradoxes

Für die Israelis waren die Oslo-Verträge kein Friedensplan, sie waren eine Lösung des Paradoxes, das Israel lange geplagt hatte: die Fläche zu wollen, aber nicht die Menschen darin. Das war von Beginn an das Dilemma des Zionismus: Wie ein Land bekommen, aber ohne sein einheimisches Volk – in einer Welt, die noch mehr Kolonialisierung und ethnische Säuberung nicht länger akzeptierte.

Die Oslo-II-Verträge lieferten die Antwort: Der Friedensdiskurs würde geführt werden, während man Fakten schuf, durch die die einheimische Bevölkerung auf kleine Flächen beschränkt bleiben und der Rest Israel angegliedert würde.

In den Oslo-II-Verträgen wurde das Westjordanland in drei Zonen geteilt. Nur eine davon, Zone A, in der Palästinenser in dicht besiedelten Gebieten lebten, stand nicht direkt unter der Kontrolle Israels. Es war ein inhomogenes Territorium, das 1995 gerade einmal drei Prozent des Westjordanlands ausmachte, bis 2011 wuchs es auf 18 Prozent. Die Israelis gewährten diesem Gebiet Autonomie und schufen die Palästinensische Autonomiebehörde, um es zu kontrollieren. Die anderen beiden Gebiete, Zone C und Zone B, standen unter direkter Kontrolle im ersten Fall, und unter angeblich gemeinsamer Kontrolle, in der Praxis aber ebenso unter direkter Kontrolle, im zweiten Fall.

Oslo sollte den Israelis erlauben, diese Matrix der Teilung und Kontrolle für sehr lange Zeit aufrechtzuerhalten. Der zweite palästinensische Aufstand im Jahr 2000 zeigte, dass die Palästinenser nicht willens waren, das zu akzeptieren. Die israelische Antwort darauf war, ein weiteres Oslo anzustreben, quasi ein Oslo III, das ihnen erneut die internationale Akzeptanz und die der Palästinenser liefern sollte für die Art, wie sie die besetzten Gebiete beherrschen wollten. Nämlich indem sie in dicht besiedelten Palästinensergebieten begrenzte Autonomie gewährten und die volle Kontrolle über den Rest des Territoriums behielten. Dies würde als permanente Lösung dienen, wobei die Autonomie schließlich "Staatlichkeit" genannt würde.

Israel hat Fakten geschaffen

Aber seit 2000 hat sich die israelische Interpretation von Oslo verändert. Davor meinten es die politischen Kräfte in Israel ernst, den Palästinensern Zone C des Westjordanlands und Gaza als Staat anzubieten. Die politische Elite allerdings, die das Land in diesem Jahrhundert übernommen hat, führt zwar den Diskurs über zwei Staaten. Währenddessen jedoch hat sie, ohne es öffentlich zu erklären, einen Ein-Israel-Staat geschaffen, in dem Palästinenser in der Westbank denselben untergeordneten Status haben wie jene, die anderswo innerhalb Israels leben. Für den Gazastreifen hat sie eine spezielle Lösung gefunden: seine Ghettoisierung.

Der Wunsch, den Status quo als permanente Realität erhalten zu wollen, wurde zu einer ausgewachsenen israelischen Strategie, als Ariel Sharon zu Beginn dieses Jahrhunderts an die Macht kam. Einzig mit Blick auf die Zukunft Gazas zögerte er. Als er dann einmal die Formel gefunden hatte, es zu ghettoisieren, statt es direkt zu beherrschen, schien es ihm auch anderswo nicht mehr nötig, an der Realität vor Ort in dramatischer Weise etwas zu ändern.