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Fußball Sepp Blatter

"Die WM in Katar haben wir wegen Sarkozy und Wulff"

Ressortleiter Investigation und Reportage
Im Zuge der Ermittlungen wegen Korruption, Manipulation von WM-Vergaben und Geldwäsche isoliert sich Fifa-Präsident Sepp Blatter zunehmend. Doch er glaubt, noch eine wichtige Aufgabe zu haben.

Das Erstaunlichste an einem persönlichen Treffen mit Sepp Blatter ist, wie normal dieser Mann plötzlich daherkommt, wie unaufgeregt und freundlich. Langsam schlendert der 79-jährige Präsident des Weltfußballverbandes Fifa durch das Zürcher Hauptquartier. Er ist ein paar Minuten zu spät, ein Assistent hat dreimal um Entschuldigung gebeten. Blatter schreitet bedächtigen Schrittes in einen etwa 20 Quadratmeter großen, lichten Salon im Fifa-Hauptquartier, sein Händedruck ist sanft. Dann lässt er sich vorsichtig auf eine Ledercouch fallen und sagt leise zu seiner Assistentin: "Eine Cola, bitte."

Es ist eine geradezu irritierende Friedfertigkeit und Ruhe, die dieser Mann verströmt, obwohl er sich gerade im Auge eines Orkans befindet. Die amerikanischen Justizbehörden ermitteln gegen mehr als ein Dutzend hochrangiger Fifa-Funktionäre. Es geht um Korruption, Manipulation von TV-Rechte-Vergaben und Geldwäsche.

Sepp Blatter sitzt hier inmitten seines eigenen Museums. An den Wänden der Lounge hängen Dutzende Orden und Auszeichnungen. Einer davon ist der Große Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, überreicht am 5. Juli 2006 von Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf dem Höhepunkt des "Sommermärchens". Es ist eine Erinnerung an die Zeit, als Blatter selbst in Deutschland beliebt war, weil die Fifa die Weltmeisterschaft ins Land gebracht hatte.

Ehrenprofessor an der Nelson-Mandela-Universität

An der Wand lehnt ein Porträt: Sepp Blatter auf Leinwand, gezeichnet vom Schweizer Künstler Rolf Knie. Auf einem Sockel steht eine Nachbildung des WM-Pokals, den der Präsident viermal in seiner Amtszeit überreicht hat. Daneben hängt die Ernennung zum Ehrenprofessor für Philosophie an der Nelson-Mandela-Universität in Südafrika.

Und inmitten dieser glorreichen Vergangenheit sitzt der Mann, von dem nun alle sagen, dass er keine Zukunft habe, weil er die vermeintlichen kriminellen Machenschaften angeblich nicht entdeckt oder verhindert habe.

Hier kündigt Blatter seinen Rücktritt an

Der von einem Korruptionsskandal erschütterte Weltfußballverband Fifa lud überraschend zu einer Pressekonferenz ein. Dort überraschte Präsident Joseph Blatter mit seinem Rücktritt.

Quelle: N24

Der ältere Herr auf dem Sofa, er hat in diesem Augenblick nichts von jenem Sepp Blatter, den man aus dem Fernsehen kennt. Seine Erscheinung passt hier nicht so recht zum Bild des Fußball-Bösewichts. Zu einem, den seine Gegner schon als Sonnengott, Machiavelli, Diktator oder Paten titulierten. Schließlich hat der Oberbefehlshaber des Weltfußballs, der auch als Oberst in der Schweizer Armee gedient hat, lange 17 Jahre die Fußball-Funktionäre des Planeten dirigiert.

Es wurde einsam um Präsident Blatter

Ende Mai aber hat sich der Wind gedreht, da starteten FBI-Agenten und Schweizer Staatsanwälte eine beispiellose Jagd auf korrupte Fifa-Funktionäre. Offenbar haben sie sich vorgenommen, den ganzen Laden auf den Kopf zu stellen. Und Blatter gleitet die Macht aus den Händen wie Oliver Kahn der Ball beim WM-Finale 2002. Von allen Seiten prügeln sie auf ihn ein, intern und extern. Es ist einsam geworden um den Präsidenten. Man will ihn loswerden.

Blatter sitzt auf seiner Couch und präsentiert sich in seiner neuen Rolle als Opfer. Er möchte, dass ihm endlich jemand glaubt. "Kritik tut mir nicht weh", sagt er, die nehme er gerne an. "Was weh tut, sind Hasstiraden. Aus Neid ist Hass geworden." Er kneift die Augen zusammen und schüttelt den Kopf, als könne er es noch immer nicht fassen.

Joseph Blatter – Das Ende einer Fifa-Ära

Joseph Blatters Karriere begann mit Versprechungen und Geschenken. Doch das System der Aufmerksamkeiten hat offenbar die Fifa von innen ausgehöhlt. Jetzt ist er zurück getreten.

Quelle: N24

Aktuell habe er doch nur eins im Sinn: die Fifa retten. "Ich bin jetzt da, um zu kämpfen. Nicht für mich selbst, sondern für die Fifa." Er meint, eine Verschwörung ausgemacht zu haben, eine gegen den Fußball. "Ich habe Angst, dass man die Fifa kaputt machen will", sagt er. "Sie ist ein Werk, das ich mit geschaffen habe."

Will die USA bei der Fifa die Macht übernehmen?

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Tatsächlich gibt es Leute in seinem Umfeld, die sagen, die USA würden die Macht übernehmen wollen bei der Fifa. Der Weltfußballverband ist unter Beschuss wie nie zuvor in seiner Geschichte: 14 Funktionäre haben die US-amerikanischen Behörden angeklagt. Zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl Ende Mai wurden sieben Offizielle in Zürich auf Anweisung des FBI aus ihren Hotelbetten geholt und festgenommen, darunter der Fifa-Vize Jeffrey Webb.

Es geht dabei um Korruption, Erpressung, gewerbsmäßigen Betrug und Geldwäsche. Die Amerikaner sprechen insbesondere von 150 Millionen US-Dollar an Schmiergeld, die in den vergangenen Jahren für die Vergabe von TV-Rechten gezahlt wurden. Sie haben Auslieferungsanträge gestellt, sie wollen die Kriminellen zügig hinter Gitter bringen.

So korrupt ging es bei den WM-Vergaben zu

Brisantes Geständnis: Südafrika und Frankreich haben sich ihre Weltmeisterschaft gekauft. Das gab Kronzeuge Chuck Blazer zu, der mehrere Jahre im Exekutivkommittee der Fifa Mitglied war.

Quelle: N24

Blatter will mit all dem nichts zu tun haben. Er fragt: "Ist denn die Fifa von oben herab für alles im Fußball verantwortlich, was in irgendeinem Dorf irgendwo auf der Welt passiert?" Auch was mögliche strafrechtliche Konsequenzen für seine Person angeht, gibt er sich entspannt: "Jeder Mensch hat Angst, zum Beispiel vor dem Tod, aber im Blick auf meine Arbeit bei der Fifa habe ich keine Angst", sagt er. Und: "Ich habe nichts zu befürchten."

Blatter stimmte nicht für die WM in Katar

Im Laufe des Gesprächs nimmt Blatter Fahrt auf, gestikuliert, er reibt sich die Hände. Er sei wütend, weil er ständig wegen der WM in Katar attackiert werde. "Das Paradoxe in dieser Angelegenheit ist, dass ich ständig etwas erklären soll, das eigentlich nicht meine Priorität war." Blatter habe schließlich, so betont es ein Fifa-Sprecher, nicht für Katar gestimmt. Er erklärt dazu: "Ich handle nach dem Führungsprinzip. Wenn das Exekutivkomitee mehrheitlich eine WM in Katar will, dann muss ich das tragen."

„Die Herren Sarkozy und Wulff haben versucht, ihre Wahlmänner zu beeinflussen."
Sepp Blatter

Dass er als Sündenbock für alles herhalten soll, was schieflief und -läuft rund um die Vergabe der WM 2022 nach Katar, will ihm nicht in den Kopf – die Verantwortung sieht er bei anderen. "Vor der Vergabe der WM nach Russland und Katar gab es zwei politische Interventionen", sagt Blatter. "Die Herren Sarkozy und Wulff haben versucht, ihre Wahlmänner zu beeinflussen. Deswegen haben wir jetzt eine WM in Katar. Die, die das entschieden haben, sollen auch die Verantwortung übernehmen." Der DFB, behauptet Blatter, habe vom ehemaligen Bundespräsidenten "auch eine solche Empfehlung bekommen, dass Deutschland wegen wirtschaftlicher Interessen für Katar stimmt."

Auch Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger berichtete von einem Anruf Wulffs vor der WM-Vergabe, bei dem dieser nach den Chancen Katars gefragt haben soll. Der Bundespräsident a.D. dementierte die Einflussnahme in seinem Buch. Und der deutsche Wahlmann Franz Beckenbauer verrät bis heute nicht, für wen er stimmte.

Blatter will auch nicht schuld sein an der Menschenrechtslage in Katar: "Schauen Sie doch auf die deutschen Firmen!", sagt er: "Die Deutsche Bahn, Hochtief und viele mehr hatten schon Projekte in Katar, als die WM noch gar nicht vergeben war." Und die Fifa? Setze sich für Verbesserungen ein.

Wie will er die Fifa retten?

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Vielleicht würden die Menschen Blatter zumindest wieder ein bisschen mögen, wenn er Fehler eingestehen, sich ernsthaft mit den Vorwürfen der US-Amerikaner beschäftigen würde. Wenn er sich etwa dazu äußern würde, warum die Fifa 5,5 Millionen Schweizer Franken bezahlte im Jahr 2010, damit die Ermittlungen wegen der ISL-Korruptionsaffäre eingestellt wurden. Aufklärung, so viel ist sicher, wurde mit dieser vorzeitigen Strafzahlung verhindert. Blatter sagt, das Thema sei für ihn damit perdu. "Ich beschäftige mich mit diesen Fällen nicht mehr." Er sei angeblich beschäftigt genug mit der Rettung der Fifa, mit Reformen. Allein, was er auf den Weg bringen will, dazu sagt er nichts.

So scherzt die Netzgemeinde über Blatters Rücktritt

Der Rücktritt von Fifa-Boss Joseph Blatter war für viele überfällig. Entsprechend reagieren die Menschen im Netz und auf der Straße mit Erleichterung, Freude und Spott.

Quelle: N24

Bald gibt er das Zepter ab, das schien beschlossene Sache zu sein. Auf dem Höhepunkt des jüngsten Skandals hatte ihn der Kongress am 30. Mai zwar zum fünften Mal zum Präsidenten gewählt, aber vier Tage später erklärte Blatter auf einer Pressekonferenz in Zürich seinen Rücktritt. Dahingehend wurde seine Rede gewertet, dass bei der nächstbesten Gelegenheit ein Nachfolger gewählt wird. Die Gegner atmeten auf, das Ende der Ära Blatter schien gekommen.

Aber so einfach ist das nicht. Möglicherweise ist die Ära Blatter noch lange nicht vorbei.

Tritt Blatter doch noch mal an?

Zwar sagt er, dass er bei der außerordentlichen Präsidentschaftswahl Ende des Jahres wohl nicht noch mal antreten wird. Aber er sagt auch Sätze, die alle Türen für ihn offen lassen, wie etwa: "Dass ich noch einmal kandidiere, ist nicht in meinem Sinne." Es gibt inzwischen zumindest einen Mann, der im Hintergrund für Blatter die Strippen zieht und der sagt, dass Blatter sehr wohl überlege, noch einmal zu kandidieren.

Neue Spekulationen um Blatter-Nachfolge

Erneut hat die Schweizer Bundesanwaltschaft in der Fifa-Zentrale Dokumente sichergestellt - offensichtlich waren die Ermittler auch im Büro von Sepp Blatter. Ein Wechsel an der Fifa-Spitze könnte schneller kommen als gedacht.

Quelle: N24

Sein Name ist Klaus Stöhlker, er ist 74 Jahre alt und der bekannteste PR-Berater der Schweiz. Blatter hat ihn im Januar verpflichtet. Stöhlker ist ein großer Rhetoriker, viele halten ihn für etwas verrückt. Weil sich der Präsident nach der Wahl drei Tage im Wallis, seiner Heimat, erholte und dann zurück ins Büro kam, vergleicht ihn Stöhlker mit Jesus: "Der war 40 Tage in der Wüste."

Die Fifa-Medienleute sagen, er habe seit Ende Mai kein Mandat mehr, aber Stöhlker geht noch immer ein und aus im Fifa-Haus. Auch beim Gespräch in der Präsidenten-Lounge ist er dabei, Blatter und er sind Freunde.

Die Stimmung in Zürich ist auf dem Tiefpunkt

Intern ahnen sie in der Fußballzentrale schon, was die beiden aushecken, und deswegen ist die Stimmung auf dem Zürcher Sonnenberg auf dem Tiefpunkt. Hochrangige Mitarbeiter wollen, dass Blatter endlich abdankt, er hat Feinde in allen Abteilungen. Sie sollten auch nichts davon wissen, dass sich Blatter mit einem Reporter trifft. Auch Domenico Scala, der Audit-Boss, ist gegen ihn. Er wollte mit Blatter noch einige Reformen vorantreiben, ihm dann Lebewohl sagen. Als er merkte, dass daraus womöglich nichts wird, verschickte er eine Mitteilung, in der er Blatter aufforderte, sich "hinter die angekündigte Wachablösung an der Spitze der Fifa" zu stellen.

Staatsanwalt erklärt Ermittlungen gegen die Fifa

Der Schweizer Generalstaatsanwalt hat Ermittlungsverfahren um die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 eröffnet. Michael Lauber erklärte die Verdachtsfälle auf einer Pressekonferenz.

Quelle: Die Welt/N24 Sport

Blatter möchte dazu nichts sagen, es wäre ein weiterer Brandherd. "Er sollte zu allem schweigen", sagt einer seiner Gegner im Fifa-Haus. Der Präsident aber macht einfach weiter. Immer wieder sagt er "Wir", wenn er von der Fifa spricht, aber es gibt keine Gemeinschaft mehr in seinem Haus.

Wie es jetzt weitergehen soll? Den geplanten Besuch des Endspiels der Frauen-WM in Kanada hat er gestrichen, Blatter sagt: "Solange nicht alles abgeklärt ist, werde ich kein Reise-Risiko eingehen." Es ist kein Geheimnis, dass er eine Festnahme durch die US-Behörden fürchtet. Nicht, weil die Amerikaner etwas Handfestes gegen ihn hätten, sondern weil es einfach ein öffentlichkeitswirksamer Coup wäre - so sieht er das.

"Selbstzweifel sind der größte Feind des Anführers"

Außerdem werde er aktuell auch im Fifa-Haus gebraucht. Blatter verweist auf "einen alten Militärgrundsatz: Der Kommandant bleibt beim Gefecht im Kommandoposten." Er ist jetzt fast wieder der Fernseh-Blatter. Er wisse, dass er auf dem richtigen Weg ist, sagt er. Er zweifle nicht: "Selbstzweifel sind der größte Feind des Anführers." Er glaube an das, was er mache: "Das belebt mich."

Bald wird er wieder ein Flugzeug besteigen, er will so viel unterwegs sein wie früher. Er sagt: "Nach dem Tsunami brauchte ich jetzt erst einmal auch eine Erholungsphase." Aber Ende Juli, wenn in Moskau die Auslosung der Qualifikationsspiele für die WM 2018 stattfindet, ist es damit vorbei. "Dahin reise ich", sagt Blatter und lächelt. Wladimir Putin ist ein Freund, da hat er nichts zu befürchten.

Dann blickt er zum Ende des Raums, zu einem gläsernen Regal. Darin stehen Bücher, eines handelt von der Flutwelle, die 2004 Südostasien traf. Das Werk passt auch gut zum jüngsten Fifa-Skandal, zum Präsidenten, und zu seinen Ambitionen. Der Titel: "Der Tsunami – die Katastrophe, die Hoffnung".

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