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Meinung Griechenland

Athens Nein ist auch eine Niederlage für Merkel

Ressortleiter Wirtschaft, Finanzen, Immobilien
Das Spardiktat der Troika war ein Zugeständnis an die deutsche Politik. Denn Angela Merkel wollte sich nicht nachsagen lassen, deutsches Geld ohne Gegenleistungen nach Griechenland zu schicken Das Spardiktat der Troika war ein Zugeständnis an die deutsche Politik. Denn Angela Merkel wollte sich nicht nachsagen lassen, deutsches Geld ohne Gegenleistungen nach Griechenland zu schicken
Das Spardiktat der Troika war ein Zugeständnis an die deutsche Politik. Denn Angela Merkel wollte sich nicht nachsagen lassen, deutsches Geld ohne Gegenleistungen nach Griechenland... zu schicken
Quelle: dpa
Das Ergebnis des Referendums in Griechenland zeigt, dass alle Seiten Fehler gemacht haben. Deshalb sollte man Gesprächen mit der Regierung von Alexis Tsipras eine letzte Chance geben.

Griechenland hat sich entschieden, Europa hat verloren. Und damit auch Angela Merkel, die Frau, deren Ansehen in Deutschland nicht zuletzt deshalb so groß ist, weil sie als geschickte Managerin internationaler Krisen gilt. Als Regierungschefin, die es schafft, einen Ausgleich zwischen den deutschen Interessen und denen der anderen zu finden. Bei Alexis Tsipras, dem griechischen Premier, ist ihr das nicht gelungen. Auch wenn man das hierzulande nicht wahrhaben will, diese Niederlage ist eben nicht nur dem irrationalen Verhalten des Athener Regierungschefs geschuldet.

Seit Beginn der Euro-Krise, ausgelöst durch das Schuldendesaster der Griechen, war es die Bundeskanzlerin, die den anderen deutlich machte, wo es langgeht. Und der von ihr eingeschlagene Kurs hatte durchaus nicht nur ökonomische Gründe. Oft war er innenpolitischen Motiven geschuldet. Viele haben es vermutlich schon vergessen. Am Anfang dieser Krise, als die Bundesregierung so tat, als wollte das marode Griechenland kein Geld. Der Grund: In Nordrhein-Westfalen standen Landtagswahlen an. Später – weil sie wusste, wie unpopulär die Finanzhilfen für Athen sind – verhängte Merkel einen finanzpolitischen Anpassungskurs, der stärker vom Wunsch nach innenpolitischer Absicherung getragen war als von wirtschaftspolitischer Weisheit.

Deutschland war der Grund für das strikte Spardiktat

Griechenland sollte sparen. Völlig zu Recht. Die Fiskalziele aber waren so hoch gesteckt, dass sie für ein Land, das ohnehin mitten im Abschwung steckte, nicht vernünftig zu erfüllen waren. Die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission legte ihren Fokus eben nicht auf Strukturreformen, die Wachstum hätten bringen können. Sie legte ihn auf die Spar- und Defizitziele. Deutschland war der Grund dafür. Die Bundeskanzlerin wollte sich nicht nachsagen lassen, dass sie deutsches Geld ohne Gegenleistung nach Athen verschicke. Es sollte nicht so aussehen, als würde man es den Griechen, die jahrelang ihre Zahlen geschönt hatten, zu leicht machen. Strafe muss sein.

Tsipras hat seinen Sieg auch Merkels Politik zu verdanken

Alexis Tsipras lässt sich von Anhängern feiern
Alexis Tsipras lässt sich von Anhängern feiern
Quelle: dpa

Als sich Ende vergangenen Jahres die damalige griechische Regierung dann zu Neuwahlen entschloss, verweigerte Merkel dem Chef der konservativen Nea Demokratia, Antonis Samaras, die Unterstützung – weil der in den Monaten zuvor die Umsetzung der Reformvereinbarungen erheblich verzögert hatte. Als der – wie von den Euro-Partnern zuvor versprochen – einen sehr langfristigen Zahlungsaufschub und noch niedrigere Zinsen für die griechische Staatsschuld einforderte, ignorierte Merkel dieses Ansinnen einfach. Das Ergebnis ist bekannt. Im Januar gewannen die Linksradikalen des Syriza-Bündnisses die Wahl. Tsipras, der Populist, der aus dem Nichts kam, hat seinen Sieg dieser Politik zu verdanken.

Das ist allerdings nur die eine Seite der Geschichte. Natürlich haben frühere griechische Regierungen vielfach gar nicht erst versucht, nötige Reformen voranzubringen. Natürlich haben sie Steuersünder geschont, ihre Freunde geschützt, Märkte nicht geöffnet und viel zu wenig für die Reform der Verwaltung getan. Und natürlich – darüber ist in den vergangenen Monaten vielfach berichtet worden – verfolgt die jetzige Regierung unter Tsipras einen Kurs, der nicht in Übereinstimmung mit deutschen Vorstellungen von Marktwirtschaft und soliden Finanzen zu bringen ist. Die Leute, die derzeit in Griechenland regieren, führen ihr Land in ein Desaster.

Ohne Euro würden Importe unbezahlbar teuer

Nur, was folgt jetzt daraus? Sollte man sich mit dieser Regierung noch einmal an einen Tisch setzen? Einen Neustart mit langen, genauso quälenden Verhandlungen wagen? Mit der Gewissheit, dass es keinesfalls besser wird? Oder sollte man sagen: Liebe Griechen, Ihr habt Euer Schicksal selbst gewählt, darauf hoffend, dass die Macht der Realität die Regierung Tsipras bald hinwegfegt? Denn wenn Griechenland erst nicht mehr mit dem Euro bezahlt, wird das Leben in dem Land sehr schwer. Alles, was derzeit importiert werden muss, wird unsagbar teuer. Autos, Handys, Computer. Die jungen Leute, die jetzt mit dem iPhone am Syntagma-Platz für den Euro-Austritt demonstrierten, würden sich wundern.

„Wir haben für die Schulden der Banken gebüßt“

Das griechische Volk ist gespalten in der Frage, wie es weitergehen soll. Grexit oder Euro? Nach der Stimmabgabe erzählen einige Griechen, warum sie mit ja oder nein gestimmt haben.

Quelle: N24

Nur was ist, wenn das nicht geschieht? Wenn die Griechen dennoch stur bleiben? Lieber in einem falschen Ehrverständnis untergehen? Merkel glaubt, ihre Antwort darauf gefunden zu haben. Sie spricht jetzt von der robusten Euro-Zone, einer Währungsunion, die wettbewerbsfähig und stark ist, gerade weil die Angst vor dem schlechten griechischen Beispiel alle anderen anspornt. Einer Gemeinschaft aber auch, die mit den Versagern, die sich nicht bessern wollen, nichts mehr zu tun haben will. So klingt das neue Narrativ, aber überzeugen wird es wohl nur im Inland.

Überall sonst auf der Welt wird man dagegen sagen: Guckt mal, die Europäer haben es nicht geschafft, das griechische Problem in den Griff zu bekommen – sprich: Merkel hat es nicht geschafft. Und sie werden sich fragen: Wie wollen sie dann die Ukraine in den Westen integrieren, wo sie doch mit Wladimir Putin einen viel größeren Gegenspieler haben? Und was passiert erst, wenn es den Italienern mal schlechter gehen sollte? Wie können sie das bewältigen, wenn sie beim viel kleineren Athen versagt haben?

Die Schuldenlast muss neu verhandelt werden

Freiwillig sollte man nicht diesen Weg gehen. Stattdessen wäre es an der Zeit, dass die Deutschen sich endlich eingestehen: Sie werden das Geld, das sie an Athen verliehen haben, nicht in vollem Umfang zurückbekommen. Selbst wenn man die nächsten 50 Jahre die Troika zur Kontrolle schicken würde. Dafür sind die Ziele einfach zu hoch gesteckt. Deshalb ist es an der Zeit – wie vom Internationalen Währungsfonds seit Monaten gefordert – in zeitlich sehr, sehr eng begrenzten Gesprächen eine grundlegende Umstrukturierung der Schulden zu verhandeln, vielleicht sogar einen Schuldenschnitt.

Im Gegenzug aber müsste sich die Regierung in Athen zu echten marktwirtschaftlichen Reformen verpflichten. Zu Wettbewerb und einer deutlichen Verkleinerung des staatlichen Sektors im Land. Zu einer gesunden Haushaltsführung und dem Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen. Zu all dem, was moderne europäische Staaten ausmacht eben. Und erst, wenn man sich in diesen Verhandlungen nicht einigt, ist es wohl an der Zeit, sich voneinander zu verabschieden, bis eine vernünftige Truppe in Athen reagiert.

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