ZEIT ONLINE: Herr Friedrichs, in Hamburg plant die Stadt gerade an mehreren Standorten Großsiedlungen für Asylbewerber, auf einer Wiese an einem Eisenbahndreieck sollen 800 Wohnungen für bis zu 4.000 Menschen entstehen, bezugsfertig bis Weihnachten 2016. Was halten Sie davon?

Jürgen Friedrichs: Nichts. Die Flüchtlinge werden so konzentriert und auch noch diskriminiert. Man erkennt sofort: "Da wohnen die Asylanten." So wird ein ganzes Wohngebiet zum Flüchtlingsheim. Das ist nicht gut. Die Menschen dort haben keinen Austausch mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Deutsche treffen sie dann allerhöchstens mal im Supermarkt. Sie können von ihnen im Alltag nicht lernen. Sie haben keine anderen Verhaltensmodelle als die anderen Flüchtlinge in der unmittelbaren Nachbarschaft, an denen sie sich bei der Integration orientieren können.

ZEIT ONLINE: Was wäre besser?

Friedrichs: Es wäre viel besser, die Flüchtlinge über unterschiedliche Stadtteile zu verteilen, in kleineren Gruppen, sie einzugliedern in die bestehenden Wohnstrukturen. Baulücken zu bebauen und vernünftigen sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen, in dem sich Deutsche und Migranten mischen. Je kleinflächiger die Unterbringung, desto besser.

ZEIT ONLINE: Die Hamburger Bausenatorin sagt nun, sie könne einfach nicht mehr anders. Es ginge nur noch darum, wo man überhaupt noch so schnell bauen könne.

Friedrichs: Das verstehe ich. Es ist unglaublich mühsam für die Verwaltung, ein Baulückenkataster zu erstellen, herauszufinden, wo es Brachflächen gibt, die man kleinteilig besiedeln kann. Das Dilemma ist: Der Zeitdruck ist so hoch, dass die Städte sich nun für kurzfristige Lösungen entscheiden, von denen wir langfristig wissen, dass sie falsch sind.

ZEIT ONLINE: Ist es für Verwaltung und Politik einfach bequemer, groß und schnell und auf die grüne Wiese zu bauen? In etablierten Stadtvierteln hätten sie vielleicht mit mehr Widerstand zu rechnen.

Friedrichs: Aber das Ziel muss doch sein, dass Flüchtlinge und Deutsche sich begegnen. Das gelingt doch eher, wenn im Haus nebenan ein paar von denen einziehen, als wenn Tausende am Stadtrand landen. Wo man dann mit Kränen nur die Bauteile aneinandersteckt. Eine Rückkehr dieser Art des Bauens, eine Renaissance der Großsiedlungen, hielte ich für fatal. 

ZEIT ONLINE: Können diese Großsiedlungen für Flüchtlinge sich nicht im Laufe der Zeit auch durchmischen und attraktiver werden?

Friedrichs: Kaum. Die Erfahrung in solchen Gebieten zeigt: Wer ein höheres Einkommen hat, zieht weg. Die Ärmeren können nicht weg. Die Wegzüge verschlechtern also den Zustand des Gebietes. Es ziehen dann neue, arme Migranten nach. Wenn diese Viertel also einmal ein gewisses niedriges Niveau haben, was Einkommen und Bildung angeht, dann wird das auf absehbare Zeit so bleiben.

ZEIT ONLINE: Wie ließen sich diese Fehler also verhindern?

Friedrichs: Es gibt eine Menge von Planern und Fakultäten, die sich mit der kleinräumigen Unterbringung beschäftigen und dazu tolle Ideen haben. Nicht für 500 oder 5.000 Wohneinheiten, sondern vielleicht 50 oder 100, die aber von vornherein eine räumliche Integration der Flüchtlinge bewirken und eine soziale Integration zumindest ermöglichen.

ZEIT ONLINE: Warum sind diese Experten nicht die Gestalter der Flüchtlingsunterbringung?