Integration von Geflüchteten : Die neuen Mitbewohner aus Homs und Rakka
Einen Flüchtling aufnehmen im eigenen Heim? Diese Deutschen, Österreicher und Schweden haben es getan – und bis heute nicht bereut. Der Dokumentarfotograf Aubrey Wade hat Bilder von den Familien gemacht.
2. September 2016, 7:23 Uhr
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Die 36-jährige Noora Youldash (links) kommt aus Masar-i-Scharif, der drittgrößten Stadt in Afghanistan. Weil ihr Mann sie während der Schwangerschaft verließ, floh sie im Oktober 2015 mit Tochter Aysu nach Österreich. "Eine Frau darf in Afghanistan nicht alleine leben, geschweige denn ein Kind ohne einen Mann aufziehen", sagt Noora, die heute bei dem Ehepaar David ein neues Zuhause gefunden hat.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Wilhelm und Brian (v.r.) sind seit 25 Jahren ein Paar und leben in Berlin. Auf einer Zugfahrt trafen sie Inas und blieben mit ihm über WhatsApp in Kontakt. Als er bei einem Behördentermin gefragt wurde, ob er Freunde in Berlin habe, konnten Wilhelm und Brian aushelfen – wenige Tage später zog der Syrer bei ihnen ein.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Nicht im Entferntesten hat Ahmad Lababidi (2. v. l.), gläubiger Muslim aus Syrien, jemals daran gedacht, eines Tages in einer Kirche zu leben. Noch dazu bei einem gleichgeschlechtlichen Paar. Doch Gabriella und Candel Webster haben ihn eines Besseren belehrt. Das Zusammenleben in Malmö läuft reibungslos und "sie haben mir wieder Lebensmut gegeben", sagt Lababidi.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Jeden Freitagabend kommt Familie Jellinek für das traditionelle Schabbat-Abendessen in ihrer Wohnung in Berlin-Mitte zusammen. Seit Ende letzten Jahres ist auch ein ungewöhnlicher Gast Teil dieses Rituals: Der 28-Jährige Kinan aus Damaskus (3. v. l.). Meist steuert er syrische Gerichte bei, deren Zubereitung er auf YouTube gelernt hat. Mutter Kyra (Mitte) sagt: "Einen Flüchtling aufzunehmen, ist eine Win-win-Situation." Der Alltag der Familie habe sich kaum verändert.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Der Architekt Lars Asklund aus Malmö hat die Syrerin Farah Hilal, ihren Ehemann Waleed Lababidi und ihren Bruder Milal Hilal bei sich aufgenommen. Als er im vergangenen Jahr die Fernsehbilder sah, habe er beschlossen, zu helfen, sagt Asklund. Auf dem Weg zu einer lokalen Migrationsbehörde traf er Waleed. "Ich stellte ihm drei Fragen: Bist du verheiratet? Er bejahte dies. Hast du Kinder? Die Antwort war negativ. Dann schaute ich ihm direkt in die Augen und fragte: Bist du ein Fundamentalist? Er sagte nein. Ich sagt ihm okay, ich habe einen guten Vorschlag für dich."
© UNHCR/Aubrey Wade
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Die 44-jährige Uta nahm Hamid aus Afghanistan in ihrer 29m²-Wohnung in Berlin-Marzahn auf. "Meine Nachbarn waren nicht besonders freundlich", sagt Uta. Als sie Hamids Namen an den Briefkasten klebte, wurde er schnell wieder entfernt. Einer der Nachbarn habe ihr gesagt, Ausländer seien hier nicht gern gesehen. Sie habe geantwortet: "Er ist mein Sohn. Daran müssen Sie sich einfach gewöhnen."
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Bilal Aljaber (26, sitzend) wohnt seit September 2015 bei der Familie Rai in Berlin. Wie "ein Schloss" sei ihm sein Zimmer vorgekommen, nachdem er in der Asylunterkunft einen Raum mit fünf anderen Männern teilen musste. Wenige Monate später zog auch sein Bruder Amr bei den Rais ein. Allerdings ist Berlin nur eine kurze Zwischenstation für ihn: der Syrer hat ein Stipendium erhalten und zieht zum neuen Schuljahr nach Freiburg.
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Newruz aus dem syrischen Homs lebt seit März 2016 bei Claudia und Tobias in Berlin. Nach seiner Ankunft in Deutschland wurde er einer Asylunterkunft im sächsischen Meißen zugewiesen – Tobias' Heimatstadt, in der die drei sich im Herbst 2015 kennenlernen. Über Weihnachten kam Newruz zehn Tage zu Besuch, "so konnten wir uns besser kennenlernen", sagt Claudia. Als neun Monate später auch die Genehmigung der Behörden vorlag, konnte Newruz einziehen.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Sabine Waldner und ihre Zwillingstöchter Charlotte und Miriam haben die beiden 16-jährigen syrischen Flüchtlinge, Juan und Mohammed, aufgenommen. "Es ist unglaublich, wie selbstsicher sie geworden sind", sagt Tochter Charlotte. Ihre Schwester Miriam sagt, auch das Zusammenleben sei einfacher geworden: "Wenn sie – um Unannehmlichkeiten zu vermeiden – nicht genau sagen, was sie wollen oder brauchen, kann es etwas schwierig werden. Aber es ist besser geworden, seitdem sie verstanden haben, dass wir sie als Teil unserer Familie sehen."
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Aus einer zehntägigen Notlösung wurde ein Aufenthalt auf unbestimmte Zeit: Eigentlich wollte das Ehepaar Manuela und Jörg Buissets (v.l.) im vergangenen Sommer eine allein reisende Frau bei sich aufnehmen. Doch dann suchte der Berliner Flüchtlingsrat eine Bleibe für eine syrische Familie und die Buissets sagten nicht Nein. Es war "eine seltsame Begegnung", sagt Manuela. "Ahmed war sehr unsicher und schüchtern. Wir dachten, er wäre stur." Er habe ihnen nie in die Augen gesehen. "Wir fanden das ziemlich unhöflich, während er dachte, dass es beleidigend wäre, uns in die Augen zu schauen, da er uns nicht kannte."
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Die 49-jährige Souad (rechts) wurde in ihrer irakischen Heimat Bagdad massiv bedroht, ihr Mann überlebte einen Giftangriff nur knapp. Im November 2014 wurde das Paar gezwungen, die Scheidungspapiere zu unterschreiben, seitdem war Souad auf der Flucht. Im November 2015 kam sie nach Österreich, wohnte sechs Monate in einem Asylaufnahmezentrum in Klagenfurt. Seit Kurzem hat sie ein Zuhause bei Margarethe gefunden. Dort habe sie in einem Monat besser Deutsch gelernt als in einem halben Jahr in der Asylunterkunft.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Wenn sie in der kleinen österreichischen Gemeinde Bad Schallerbach einkaufen geht, stellt Martina Schamberger Nawras Ahmadook (rechts) als ihren Sohn vor. Tatsächlich kannten sich der 26-jährige Syrer und die Tochter der Familie bereits seit Jahren: Valerie Schamberger war 2006 bei Nawras' Familie in Aleppo, um Arabisch zu lernen. Als sie vergangens Jahr mitbekam, dass Nawras an die Grenze zu Österreich geflohen war, nahm die Familie ihn bei sich auf.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Alqumit Alhamad ist in einer anderen Welt angekommen: Bei der alleinerziehenden Mutter und Bibliothekarin Linnea Tell aus Malmö hat der muslimische Künstler Alqumit Alhamad ein Zuhause gefunden. Es schneite, als er im Februar 2016 nach Schweden kam. In seinem kleinen Rucksack hatte er lediglich wenige Kleidungsstücke, Pinsel und CDs von Lady Gaga, Björk und Barbara Streisand verstaut. "Die Grenzbeamten schauten mich überall in Europa komisch an, wenn sie meinen Rucksack durchsuchten", sagt der 24-jährige Künstler, der aus Rakka floh. Die Terrormiliz IS hatte Freunde von ihm, Homosexuelle wie er, aus ihrem Haus vertrieben und gefoltert.
© UNHCR/Aubrey Wade
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Valerie Schamberger (2. v. r.) teilt sich ihre Wiener Wohnung mit Nora Katona, Roman Pable und Mouhanad Mourad. Als Mouhanad dazukam, seien die Mitbewohner besorgt gewesen, Mouhanad würde viel Unterstützung und Orientierungshilfe benötigen. Doch sie wurden positiv überrascht, sagt Valerie: "Mouhanad kennt mehr Leute als wir. Seine Kontaktliste ist unglaublich." Der 27-Jährige ist Mitbegründer der Gruppe Refugees for Refugees. In Wien will er jetzt sein Masterstudium beginnen.
© UNHCR/Aubrey Wade
No Stranger Place heißt das Fotoprojekt des UN-Flüchtlingswerks UNHCR und des renommierten Dokumentarfotografen Aubrey Wade. Anlass sind die Ereignisse des Septembers 2015 . Gezeigt werden 14 Familienporträts von Menschen aus Deutschland, Österreich und Schweden, die Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben. Es sind Berichte von Solidarität, Mitgefühl und Freundschaft, die dem großen zivilgesellschaftlichen Engagement des letzten Jahres ein Gesicht geben.