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DIW-Studie Forscher schlagen 20.000 Euro »Grunderbe« für Jugendliche vor

Die Vermögen in Deutschland sind ungleich verteilt. Um das zu ändern, präsentieren Ökonomen jetzt eine ungewöhnliche Lösung: Teenager könnten Startkapital vom Staat erhalten – finanziert über höhere Vermögenssteuern.
Gut gelaunte Teenager (Symbolbild): Startkapital vom Staat?

Gut gelaunte Teenager (Symbolbild): Startkapital vom Staat?

Foto: Justin Lambert / Getty Images

Einige wenige erben Millionen, viele andere dagegen nichts: Diese Vermögensungleichheit kann einem Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge mit einer staatlichen Schenkung von bis zu 20.000 Euro für alle 18-Jährigen gesenkt werden. Finanziert werden soll dieses »Grunderbe« entweder durch eine Erbschaft- oder Vermögensteuer.

Das würde die Ungleichheit in Deutschland je nach Ausgestaltung deutlich reduzieren, heißt es in der Studie, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. »Wenn wir wirklich in absehbarer Zeit ›Wohlstand für alle‹ schaffen wollen, dann sollten wir die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland durch Umverteilung reduzieren: indem die besitzlose Hälfte ein Grunderbe zum Vermögensaufbau erhält, das über Steuern auf hohe Vermögen finanziert wird«, sagte der DIW-Steuerexperte Stefan Bach.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sind Maßnahmen vorgesehen, die die Vermögensbildung unterstützen sollen – wie die Förderung des Wohneigentums, die Verbesserung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge sowie die Erhöhung des Sparerpauschbetrags bei der Einkommensteuer. »Das geht in die richtige Richtung, dürfte aber die große Ungleichheit bei den Vermögen nur moderat und sehr langfristig senken«, sagte Bach. »Charmanter wäre die Idee eines Grunderbes, bei dem alle 18-Jährigen ein Startkapital vom Staat geschenkt bekommen – natürlich nicht cash, sondern mit Verwendungsauflagen für Aus- und Weiterbildung, Erwerb von Wohneigentum, Selbstständigkeit oder Unternehmensgründungen.« Der Gini-Koeffizient, das weltweit anerkannte Standardmaß der Ungleichheit, würde so um fünf bis sieben Prozent sinken.

Die Idee des Grunderbes ist nicht neu, sondern wird unter Ökonomen seit Längerem diskutiert. Bekannter ist es jedoch unter dem Namen Sozialerbe. 1999 veröffentlichten die US-Forscher Bruce Ackerman und Anne Alstott ihr Konzept für ein solches Sozialerbe, sie schlugen damals sogar 80.000 Dollar für jeden US-Bürger vor. Die damalige Bundesarbeitsministerin und spätere SPD-Chefin Andrea Nahles hatte das Konzept eines Sozialerbes Ende 2016 in das »Weißbuch Arbeiten 4.0« aufgenommen und im Folgejahr einen eigenen Vorschlag eines ebenfalls mit 20.000 Euro ausgestatteten Erwerbstätigenkontos für alle Bürgerinnen und Bürger vorgelegt. Als »Chancenkonto« fand es sich schließlich im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 wieder.

Geringes Vermögen in der Mittelschicht

Die untere Hälfte der Bevölkerung hat den Berliner Forschern zufolge kein nennenswertes Vermögen. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen hingegen mehr als zwei Drittel des gesamten Privatvermögens. Das reichste Prozent der Bürger besitzt 35 Prozent des Vermögens, die reichsten 0,1 Prozent immerhin noch bis zu 20 Prozent.

»Damit sind die Vermögen in Deutschland im Vergleich zu anderen EU- oder OECD-Ländern mit einer ähnlichen Einkommensverteilung sehr stark konzentriert«, so das DIW. »Auffällig sind vor allem die relativ geringen Vermögen der Mittelschicht.« Die große Ungleichheit bei den Vermögen setze sich über Erbschaften und Schenkungen fort. Die Hälfte der Bevölkerung bekomme praktisch nichts vererbt, sehr wenige dagegen sehr viel, so die Studie im Auftrag des »Forum New Economy«.

Auffällig sind vor allem die relativ geringen Vermögen der Mittelschicht.

Aus der DIW-Studie

Bei einem Startkapital von 20.000 Euro für alle Volljährigen würde das Grunderbe den Berechnungen zufolge rund 15 Milliarden Euro im Jahr kosten. Einschließlich weiterer Förderprogramme und Entlastungen bei der Grunderwerbsteuer ließe sich das durch die Erhöhung von vermögensbezogenen Steuern finanzieren. Infrage kämen dafür eine Reform der Erbschaftsteuer, eine höhere Besteuerung von Immobiliengewinnen und eine Vermögensteuer für Hochvermögende. »Vor allem die Erbschaftsteuer ist bei vielen unbeliebt – obwohl die wenigsten davon betroffen sind«, sagte Bach. »Wenn die Steuererhöhungen für ein Grunderbe verwendet würden, wären die Steuererhöhungen für Reiche sicher leichter zu vermitteln.«

mic/Reuters