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Mittelmeer und Rotes Meer Massensterben von Seeigeln bedroht Korallenriffe

Nach zwei Tagen ist bloß noch ein Skelett übrig: Ein mysteriöses Massensterben rafft Seeigel dahin. Forschende haben schon einen Verursacher unter Verdacht. Und warnen vor den Folgen der Epidemie.
Seeigel im Mittelmeer

Seeigel im Mittelmeer

Foto: Tel Aviv University / dpa

Schon länger verenden in großer Zahl Seeigel in verschiedenen Regionen der Welt. Nun berichten Forscherinnen und Forscher der Universität Tel Aviv in Israel: Von dem Massensterben sind auch Tiere im Mittelmeer sowie im Roten Meer betroffen – und damit die Korallenriffe der Region.

Betroffen sei unter anderem das Riffsystem nahe der israelischen Küstenstadt Eilat, hieß es in einer Mitteilung. Dort sei die gesamte Population binnen weniger Monate ausgelöscht worden. Ein infizierter Seeigel könne innerhalb von nur zwei Tagen zu einem Skelett ohne Gewebe werden.

Das Massensterben hat Folgen für die Korallenriffe, weil Seeigel wichtig für die Gesundheit dieser Ökosysteme sind. Sie fressen Algen, die sonst die Korallen überwuchern und abtöten. Die Riffe seien ohnehin extrem bedroht, nun komme ein weiterer Faktor hinzu, hieß es.

Betroffen ist die Art Diadema setosum, auch Gewöhnlicher Diadem-Seeigel genannt. Sie war 2006 erstmals im Mittelmeer beobachtet worden und hatte sich seither in der Region stark ausgebreitet.

Kürzlich hatten Forscher einen Parasiten als Auslöser der Epidemie ausgemacht: Wimperntierchen. Ein auf diese Einzeller zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln war zunächst im Januar 2022 auf den US-amerikanischen Virgin Islands aufgefallen. In den Monaten darauf wurden ähnliche Beobachtungen in weiten Teilen der Karibik gemacht.

Zuchtbestand dieser Art bewahren

Dann waren auch das Mittelmeer und rasch auch das Rote Meer betroffen. Die Epidemie breite sich in noch nie dagewesenem Tempo aus, hieß es von der Universität Tel Aviv. Für eine Region des Golfes von Akaba etwa sei erfasst, dass dort binnen weniger Wochen Tausende Seeigel starben, bis es keine lebenden Tiere mehr gab. Ähnlich sei die Entwicklung auch andernorts.

Der israelische Zoologe Omri Bronstein warnte, man müsse umgehend handeln, um noch gesunde Diadem-Seeigel zu retten. »Wir müssen einen Zuchtbestand dieser Art bewahren, in isolierten Wassersystemen, fern von Meerwasser.« Nur so könne man die Tiere retten und in Zukunft wieder vermehren. Die Analysen der Forschenden zum Sterben des Gewöhnlichen Diadem-Seeigels wurden in den Fachmagazinen »Frontiers in Marine Science« und »Royal Society Open Science«  veröffentlicht.

Über den einzelligen Parasiten als Ursache hinter dem Massensterben von Seeigeln in der Karibik hatte ein Forschungsteam im April im Fachmagazin »Science Advances«  berichtet. Dort ging die Zahl Atlantischer Diadem-Seeigel in den betroffenen Gebieten um 85 bis 95 Prozent zurück. Über das Risiko für andere Seeigel-Arten ist bisher wenig bekannt.

Wimpertierchen haben Härchen auf ihrer Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser vor und sind oft harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen Wimpertierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien verantwortlich gemacht.

Bereits in den Achtzigerjahren hatte es in der Karibik ein Massensterben von Diadema antillarum gegeben. Fast 98 Prozent der Population verschwanden damals, der Grund blieb unklar. Die Population erholte sich zwar später etwas, das Massensterben hatte aber – zusammen mit anderen Faktoren – bereits zu einem raschen Abbau vieler Korallenriffe geführt.

dpa/joe

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