Der Reisekonzern TUI bewirbt gerade eine Kreuzfahrt auf einer „schwimmenden Narrenhochburg“ bei Karnevalsstimmung an Bord. Marktführer Aida führt in der Bordgastronomie „Soulkitchen“, gemeint sind Restaurants mit veganer Küche. Die Kreuzfahrtlinien lassen die Jahre der Corona-Pandemie hinter sich, sind wieder aktiv und vermelden Rekordbuchungen.
In Sachen Umweltverträglichkeit der Kreuzfahrtschiffe kommt jedoch nur langsam Bewegung auf. Zwar bescheinigt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in seinem elften Kreuzfahrt-Ranking den Reedereien durchaus Fortschritte, wenn es um die Antriebstechnik und die eingesetzten Treibstoffe geht. Doch die Verbesserungen der einzelnen Unternehmen beruhen fast ausschließlich auf Schiffen, die bestellt oder im Bau sind. Derzeit auf den Meeren zu sehen, seien fast ausschließlich „Pilotprojekte“, wie der Nabu es nennt. Einen Durchbruch hin zu einer umweltverträglichen Kreuzfahrt werde es erst im Laufe des Jahrzehnts geben, lautet das Fazit.
In dem Ranking finden sich die beiden kleinen Kreuzfahrtlinien Havila und Hurtigruten auf den vordersten Plätzen. Auf ihren wenigen Schiffen setzen diese Unternehmen aus Norwegen bereits Batterien zur Unterstützung des Antriebs ein. In dem Land gibt es klare Vorgaben. So ist es ab dem Jahr 2026 für Kreuzfahrtschiffe mit konventionellem Antrieb verboten, an den Küsten und in die Fjorde zu fahren. Batterieantrieb oder synthetische Kraftstoffe ohne Kohlendioxidausstoß sind dann die Alternativen.
Aida, die deutsche Tochtergesellschaft des britisch-amerikanischen Konzerns Carnival Corporation, folgt in der Rangliste auf Platz drei. Der nächstgrößte Anbieter mit Kreuzfahrtschiffen für mehrere Tausend Passagiere in Deutschland, TUI Cruises, steht hinter der kleinen Kreuzfahrtlinie Ponant auf Rang fünf.
TUI Cruises gehört je zur Hälfte dem TUI-Konzern und Royal Caribbean Cruises aus den USA. Auf den Plätzen dahinter finden sich bekannte Branchenunternehmen wie MSC, Norwegian Cruise Lines oder Hapag-Lloyd. Carnival Corporation und Marella Cruises landen auf den hinteren Rängen. Ohne Antwort auf die Fragen des Nabu Anbieter Phönix Reisen und Viking Ocean Cruises.
Abgefragt hat der Nabu insgesamt 14 Kriterien zu den Plänen der Reedereien wie auch zur bestehenden Schiffsflotte. Darunter sind Aussagen etwa zum Pariser Klimaschutzabkommen ebenso wie festgeschriebene Daten auf dem Weg hin zu einer Klimaneutralität. Zu den Kriterien in der Technik gehören etwa der Einsatz von Rußpartikelfiltern oder Maßnahmen zur Energieeinsparung.
Tatsächlich ist das Bild, das sich daraus ergibt, ein Blick in die Zukunft der Kreuzfahrtlinien. „2023 wird das Jahr der Entscheidung sein“, sagt Sönke Diesener, der beim Nabu im Bundesverband als Referent der Verkehrspolitik arbeitet. Ein Jahr später müsse die heute angekündigte Umwelttechnik auf den Kreuzfahrtschiffen zum Standard geworden sein.
Große Reedereien wie TUI Cruises oder Norwegian Cruise Lines haben Neubauten bestellt, die mit Methanol, Biodiesel oder anderem Kraftstoff mit niedrigen oder gar keinen Kohlendioxidemission angetrieben werden. Auch mit Batterie-Technik sowie Wasserstoff als Antriebsart wird bereits gearbeitet. „Wir rechnen damit, dass es bis Ende dieses Jahrzehnts die erste klimaneutrale Kreuzfahrt als Angebot geben wird“, sagt Diesener. Allerdings wird es nach der Aussage zehn bis 15 Jahre dauern, bis diese neuartigen Kraftstoffe und Antriebe in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen werden.
Stand heute sind jedoch die meisten Kreuzfahrtschiffe nach Erkenntnissen des Nabu noch mit herkömmlichem Kraftstoff unterwegs. „Jede zweite Kreuzfahrt findet auf einem Schiff mit Schweröl als Antrieb statt“, sagt Nabu-Experte Diesener. Schweröl ist das Abfallprodukt aus den Raffinerien bei der Herstellung von Benzin, Diesel oder Kerosin und gilt als extrem umweltschädlich.
Über eine sogenannte Scrubber-Technologie werden Schadstoffe als den Abgasen herausgewaschen, das Wasser gelangt jedoch wieder in die Meere. Einige Reedereien wie Aida verfügen dagegen über Schiffe mit Gasantrieb. Das dort genutzte Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas) verbrennt gegenüber Schweröl mit einem geringeren Kohlendioxidausstoß.
„Klimaschutz nach Kassenlage“?
Dabei wäre es schon heute möglich, in großem Umfang auf weniger schädlichen Marinediesel umzustellen. Jedoch ist dieser Kraftstoff um bis zum Zweifachen teurer. Der Nabu wirft den Unternehmen vor, „Klimaschutz nach Kassenlage“ zu machen.
Aus der Branche kommt diese Antwort: „Einige Reedereien setzen Marinediesel ein. Dies ist die individuelle Entscheidung der Unternehmen“, sagt Helge Grammerstorf, Geschäftsführer in Deutschland für Cruise Lines International Association. Der Trend bei den Schiffsbestellungen gehe eindeutig hin zu Antrieb mit Methanol oder Marine-Gasöl. Allerdings müssten diese Kraftstoffe auch verfügbar sein. Aufgabe der Politik sei es, für deren Herstellung Anreize zu setzen.
Nach Angaben dieser Organisation sollen rund 15 Prozent der Kreuzfahrtschiffe, die in den nächsten fünf Jahren in Dienst gestellt werden, mit Brennstoffzellen oder Batterien ausgestattet sein. Die Mitgliedsreedereien haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 weltweit eine kohlenstofffreie Kreuzfahrt anzubieten.
Wesentliche Fortschritte gibt es dagegen bei einem anderen wichtigen Thema der Kreuzfahrt, bei der Energieversorgung in den Häfen. Rund 40 Prozent der Reisezeit verbringen diese schwimmenden Hotels an den Kaimauern und nicht auf großer Fahrt. Der Energieverbrauch eines Kreuzfahrtriesen kann dann den Umfang einer Kleinstadt ausmachen.
Etliche Häfen – in Deutschland sind es etwa Hamburg, Kiel oder Rostock – bieten dafür Landstromanlagen an. Die Städte wiederum nutzen dafür Strom aus Windkraft oder anderen erneuerbaren Energiequellen. Mittlerweile sind laut Angaben des Nabu zum Beispiel die Schiffsflotten von Aida und TUI Cruises komplett auf Landstromversorgung umgestellt.
EU führt Quoten für nachhaltige Treibstoffe ein
An der Westküste der USA ist die Landstromnutzung schon heute Vorschrift. Das alles ändert jedoch wenig daran, dass weltweit auf den Kreuzfahrtschiffen die Stromerzeugung durch die eigene Schiffsmaschine weitverbreitet ist – mit den damit verbunden Schadstoffen aus den Schornsteinen.
Ein Grund für die Verbesserung sind neue Bestimmungen der Europäischen Union. So schreibt die Staatengemeinschaft den Kreuzfahrtreedereien in ihren Häfen seit dem Jahr 2023 die Nutzung von Landstrom vor. Auch führt die EU bestimmte Quoten für nachhaltige Treibstoffe wie künstlichen Diesel, Methanol oder Wasserstoff als Vorschrift ein, wenn auch in kleinen Schritten. Die Schifffahrtsexperten des Nabu bezeichnen die Regeln als „Durchbruch“, selbst wenn es sich um einen langen Prozess handele. Die Unternehmen würden dadurch Sicherheit für ihre Planung und Investition bekommen.
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