In Hamburg sind Zehntausende Menschen zum Protest gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Wirtschaftsverbänden, Parteien und Vereinen hatte zur Kundgebung unter dem Motto "Hamburg steht auf – Gemeinsam gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke" aufgerufen. Am späten Nachmittag musste die Demo aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Nach Angaben des Mitorganisators Kazım Abacı vom Verein Unternehmer ohne Grenzen waren Menschen in der Menge kollabiert, die Feuerwehr kam nicht mehr durch.

Zuvor sprach die Polizei von rund 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, zunächst hatte sie 10.000 Protestierende erwartet. Die Veranstalter sprachen vor Ort von 60.000 Demonstrierenden. Ursprünglich sollte die Demonstration auf dem Rathausmarkt stattfinden. Allerdings hatte die AfD das verhindert: Die Partei meldete dort kurzfristig eine Fraktionssitzung an, während der ein Bannkreis von rund 350 Metern rund um das Rathaus gilt.

Auch im nordrhein-westfälischen Münster protestierten am Abend Zehntausende gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Das Bündnis Keinen Meter den Nazis hatte dort für den Nachmittag eine Kundgebung mit zunächst 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern angekündigt. Lokale Medien berichteten unter Verweis auf Angaben der Polizei, dass die Zahl deutlich übertroffen wurde: Bis zum Abend folgten demnach 20.000 Menschen dem Aufruf, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen. Die Demonstration hatte zunächst auf einem kleineren Platz in der Innenstadt stattfinden sollen und musste auf den größeren Domplatz verlegt werden.

90 Kundgebungen für das Wochenende angemeldet

Hintergrund der Demos ist ein Treffen in Potsdam im November, an dem neben Rechtsextremisten auch AfD-Funktionäre teilgenommen hatten und das durch einen Bericht der Rechercheplattform Correctiv im Januar bekannt wurde. Bei dem Treffen hatte der bekannte Rechtsextremist Martin Sellner demnach den Vorschlag geäußert, Millionen Menschen – darunter auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund – auszuweisen.

Der Bericht löste bundesweite Proteste aus, der heutige Freitag ist der achte Tag in Folge, an dem Kundgebungen gegen Rechtsextremismus stattfinden. Es werden auch weitere Proteste erwartet: Allein für das kommende Wochenende sind in zahlreichen Städten rund 90 Kundgebungen angemeldet, wie aus einer Auflistung des Portals Zusammen gegen Rechts hervorgeht. 

So riefen etwa in München mehr als 200 Organisationen zu einer Großdemonstration am Sonntag auf, deren Veranstalter der Süddeutschen Zeitung zufolge mit mehr als 30.000 Teilnehmenden rechnen. Auch in Nürnberg, Dortmund, Hannover, Erfurt, Magdeburg und Frankfurt am Main werden am Samstag Proteste erwartet. Am Sonntag soll in Berlin, Köln, Dresden, Leipzig und Bonn demonstriert werden, in Stuttgart an beiden Tagen.

Muslime und ostdeutsche Bischöfe warnen vor Rechtsextremismus

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) hat Musliminnen und Muslime in Deutschland dazu aufgerufen, an den Protesten teilzunehmen. "Wir sind ein Teil dieses Landes und wir sind bereit, aktiv und vehement für unsere Demokratie einzustehen", sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Deutsche Muslime forderte er dazu auf, "ihre Stimme als Betroffene und Bürger dieses Landes zu erheben". 

"Der Rechtsextremismus stellt nicht erst heute eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie dar, zudem bedient sich des antimuslimischen Rassismus als eines seiner zentralen Instrumente", teilte der ZMD mit. Das zeige sich seit Jahren etwa in rechten Bewegungen wie Pegida sowie Übergriffen auf Muslime und deren Einrichtungen. Muslime oder Menschen, die als solche identifiziert würden, seien "diesem Hass und Anfeindungen im Alltag ausgesetzt", sagte Mazyek. 

Am Donnerstag hatten auch die sechs für Ostdeutschland zuständigen Bischöfe in einem gemeinsamen Aufruf vor Parteien wie dem rechtsextremen Dritten Weg und auch der AfD gewarnt. "Krude Ausweisungsfantasien für Migranten und ihre Unterstützer" seien nicht mit den Grundwerten der Gesellschaft vereinbar, teilten sie mit. Vor dem Hintergrund der im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen riefen sie Wählerinnen und Wähler dazu auf, ihre Wahlentscheidung nicht von "populistischen Aussagen und scheinbar einfachen Lösungen" beeinflussen zu lassen.