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Wahlen in der Türkei Prokurdische Partei sieht sich um Bürgermeisteramt betrogen

55 Prozent soll Abdullah Zeydan bei den Kommunalwahlen im türkischen Van erhalten haben. Zum neuen Bürgermeister wurde jedoch ein anderer ernannt. Nicht nur die prokurdische Partei DEM protestiert.
Proteste in Istanbul am Dienstag: Was lief in Van ab?

Proteste in Istanbul am Dienstag: Was lief in Van ab?

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Yasin Akgul / AFP

Nach den landesweiten Kommunalwahlen  hat es in der osttürkischen Provinz Van heftige Proteste gegeben. Die prokurdische Partei DEM, die Nachfolgepartei der HDP, sieht sich um ein Bürgermeisteramt betrogen. Ihr Kandidat Abdullah Zeydan war kurzfristig für nicht wählbar erklärt worden, heißt es. Stattdessen sei der zweitplatzierte Kandidat, ein Kandidat der AKP des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, zum Bürgermeister ernannt worden. Laut DEM hatte Zeydan am Sonntag 55 Prozent der Stimmen geholt.

Hintergrund der Entscheidung, Zeydan von der Wahl auszuschließen, sei eine Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 2022. Damals habe Zeydan nach einer Haftstrafe die Wiedererlangung aller bürgerlichen Rechte beantragt – auch die zur Kandidatur für ein politisches Amt. Das Gericht habe den Antrag damals genehmigt, zwei Tage vor der Wahl nun aber die eigene Entscheidung zurückgezogen. Ohne Zeydan darüber zu informieren.

Die Provinz Van wird vorwiegend von Kurden bewohnt und liegt rund 80 Kilometer von der Grenze zum Iran entfernt. Die DEM vermutet auch Wahlbetrug in anderen Provinzen im Südosten der Türkei, in denen sie hinter der AKP landete. Sie will in Bitlis, Sirnak und Kars eine erneute Zählung der Wählerstimmen veranlassen.

In Van gingen Medienberichten zufolge mehrere Menschen in Solidarität mit Zeydan auf die Straße. Die Polizei setzte demnach Tränengas und Wasserwerfer ein, um eine Menge von mehreren hundert Demonstranten aufzulösen, die sich vor dem DEM-Büro versammelt hatten. Die Proteste gegen die Annullierung seiner Wahl reichten weit über Van hinaus – auch in Istanbul gingen Unterstützer Zeydans auf die Straße.

Protest aus Ankara und Istanbul

In der Hauptstadt Ankara prangerte der Co-Vorsitzende der DEM, Tuncer Bakirhan, einen »politischen Putsch« an. Die Entscheidung sei »inakzeptabel«, schrieb Istanbuls wiedergewählter Bürgermeister Ekrem Imamoğlu von der Oppositionspartei CHP bei X. Er forderte die Regierung und die Wahlkommission auf, »den Willen des Volkes zu respektieren«. Die Kommunalwahlen galten als Stimmungstest nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr, Imamoğlus Sieg wurde als Niederlage für Erdoğan gewertet .

Der Vorfall erinnert an Absetzungen prokurdischer Lokalpolitiker in der Vergangenheit: Bei den Kommunalwahlen 2019 hatte die prokurdische Partei unter dem Namen HDP 65 Bürgermeisterposten gewonnen – die Regierung in Ankara ließ ein Großteil der Politiker aber wegen Terrorvorwürfen des Amtes entheben und durch Zwangsverwalter ersetzten.

hba/dpa/AFP