OECD-Studie Immer mehr junge Menschen in Deutschland ohne Abi oder Berufsabschluss

In Deutschland liegt der Anteil junger Erwachsener ohne Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung über dem Durchschnitt aller Industrienationen, so das Urteil einer neuen OECD-Studie. Demnach haben 16 Prozent der jungen Menschen in Deutschland keinen Abschluss der zweiten Sekundarstufe, der OECD-Schnitt liegt bei 14 Prozent. Die Ergebnisse wurden am Dienstag in Berlin vorgestellt, wobei die Analyse besonders die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem in den Fokus nimmt.
Es sind vor allem junge Männer, die diesen Trend antreiben. 2023 hatten 18 Prozent von ihnen keinen entsprechenden Abschluss, bei den jungen Frauen waren es nur 15 Prozent. 2016 hatte es laut Studie noch keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gegeben. Zum Sekundarbereich II gehören die gymnasiale Oberstufe, duale Berufsausbildungen und Ausbildungen an Berufsschulen. Zu den jungen Erwachsenen zählt die Studie alle im Alter zwischen 25 und 34 Jahren.
Negativtrend trotz steigender Investitionen
Insbesondere im internationalen Vergleich wird die negative Entwicklung deutlich: Demnach gehört Deutschland zu den einzigen vier OECD-Ländern, in denen der Anteil junger Menschen ohne weiterführenden Abschluss insgesamt stieg – obwohl deutsche Investitionen in Schulen seit 2015 um acht Prozent wuchsen. Unter allen OECD-Ländern waren es im Durchschnitt nur ein Prozent.
Die Wirtschaft schlägt angesichts dieser Befunde Alarm. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) etwa fordert eine Bildungswende. »Laut einer Umfrage des ZDH stellen rund 75 Prozent der Betriebe eine Zunahme solcher Lernlücken bei ihren Ausbildungsanfängern fest«, sagte dessen Präsident Jörg Dittrich. »Und das stellt sie zunehmend vor Herausforderungen.«
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Laut der OECD-Studie erhöhte sich zugleich der Anteil junger Erwachsener mit höherqualifiziertem Abschluss. Zum sogenannten Tertiärbereich gehören etwa ein Hochschulabschluss oder ein Meister im Handwerk. Besonders ausgeprägt sei dieser Trend bei Frauen, hieß es weiter. Bei ihnen habe sich diese Quote innerhalb einer Generation nahezu verdoppelt – von 22 Prozent bei den 55- bis 64-Jährigen auf 40 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen. Dennoch liegt auch dieser Wert unter dem OECD-Schnitt von 47 Prozent.
Dazu kommt: Obwohl Mädchen und Frauen deutlich bessere Bildungsergebnisse aufweisen als Jungen und Männer, kehrt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt um. 25- bis 34-jährige Frauen sind demnach mit geringerer Wahrscheinlichkeit erwerbstätig als Männer dieser Altersgruppe. Lediglich 49 Prozent der jungen Frauen ohne Sekundarbereich-II-Abschluss in Deutschland sind erwerbstätig, während es bei den jungen Männern 74 Prozent sind.