Zukunft der Ukraine Trump kann Putin zu Friedensgesprächen zwingen – sagt Selenskyj

Wolodymyr Selenskyj (im Juli 2024 in Kyjiw): »Wir wollen Frieden«
Foto:Efrem Lukatsky / AP / dpa
Es ist eine der häufig zitierten Aussagen Donald Trumps: Nach seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus – so hatte es der US-Republikaner im Wahlkampf angekündigt – könne er binnen 24 Stunden dafür sorgen, dass in der Ukraine wieder Frieden herrsche. Das stieß in Kyjiw zunächst auf Skepsis: Dort wurde befürchtet, dass man zu einer für das Land ungünstigen Vereinbarung gezwungen werden könnte.
Inzwischen klingt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj allerdings zuversichtlicher. Er glaube, dass der »starke« designierte US-Präsident Russland zu Friedensgesprächen zwingen und den Krieg in der Ukraine beenden könne. Das sagte Selenskyj in einem Interview mit dem US-Podcaster Lex Fridman . Die beiden Männer sprachen fast drei Stunden miteinander, das Gespräch wurde am Sonntag veröffentlicht.
Man solle nicht glauben, dass Kremlherrscher Wladimir Putin ein Ende des Krieges wolle, sagte Selenskyj dabei. Aber Trump habe genügend Macht, um Druck auf Putin auszuüben. »Er hat all diese Möglichkeiten, und es sind nicht nur leere Worte. Ich zähle wirklich auf ihn. Und ich denke, dass unser Volk wirklich auf ihn zählt.«
Die Ukraine wolle Frieden, sagte Selenskyj. Die Menschen im Land würden daran glauben, dass Trump für Frieden sorgen und Putin stoppen könne. »Und dass er sicherstellen wird, dass Putin nicht alles bekommt, was er will.«
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Selenskyj erklärte auch, dass Trump entscheidend dazu beitragen werde, die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten und den Weg für eine Verhandlungslösung zu ebnen, die auch von den europäischen Staaten unterstützt werde. »Trump und ich werden zu einer Einigung kommen und … gemeinsam mit Europa starke Sicherheitsgarantien anbieten, und dann können wir mit den Russen reden«, sagte Selenskyj. »Wir und Trump kommen zuerst, und Europa wird die Position der Ukraine unterstützen.«
Die europäischen Staats- und Regierungschefs warteten alle darauf, zu sehen, was Trump wolle, fuhr Selenskyj fort. Nach seinen Gesprächen mit Trump fragten ihn stets alle, wie es gelaufen sei. »Das zeigt den Einfluss von Donald Trump, und das hat es bei einem amerikanischen Präsidenten noch nie gegeben«, sagte der ukrainische Staatschef. »Das gibt auch das Vertrauen, dass er diesen Krieg beenden kann.«
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Selenskyj äußerte sich mehrfach voll des Lobes für Trump. Nirgends seien die Zustimmungswerte für Trump derzeit höher als in der Ukraine, sagte er. Trump habe die US-Präsidentschaftswahlen gegen seine Rivalin Kamala Harris gewonnen, weil er »viel stärker« als die Demokratin sei, so Selenskyj. Trump habe »intellektuell und körperlich« Stärke gezeigt. Es sei wichtig gewesen, zu zeigen, »dass man stark sein muss, wenn man ein starkes Land haben will. Und er war stark.«
Trump wird am 20. Januar als neuer US-Präsident vereidigt. »Ich glaube, der Krieg wird enden«, sagte Selenskyj. Und vielleicht werde Trump der erste Staatschef sein, der dann im Flugzeug nach Kyjiw reise.
Lex Fridman ist ukrainisch-jüdischer Abstammung und wuchs noch zu Sowjetzeiten in Moskau auf, ehe seine Familie in den Neunzigerjahren in die USA umsiedelte. Er ist Informatiker und Podcaster. Zu seinen Gästen gehörten unter anderem Trump, der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu und der argentinische Staatschef Javier Milei.
Schwere Kämpfe in der Region Kursk
Am Sonntag sorgten auch andere Berichte aus dem Kriegsgebiet für Aufsehen: In der westrussischen Region Kursk sind die ukrainischen Streitkräfte überraschend in die Offensive gegangen. Beide Seiten lieferten sich bis zum späten Abend schwere Gefechte. Der Generalstab in Kyjiw meldete in seinem abendlichen Lagebericht insgesamt 42 einzelne bewaffnete Zusammenstöße in der westrussischen Region. »Zwölf Gefechte dauern zur Stunde noch an«, hieß es.
»Die Russen in der Region Kursk machen sich große Sorgen, weil sie aus mehreren Richtungen angegriffen wurden und dies für sie überraschend kam«, kommentierte der Generalstab in Kyjiw die jüngsten Entwicklungen. Russische Medien berichteten am Abend lediglich über abgewehrte Drohnenangriffe bei Kursk.
Über Verluste, Erfolge oder veränderte Frontlagen machten beide Seiten keine Angaben. Der Wahrheitsgehalt von Meldungen aus dem Kriegsgebiet lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Ukrainische Einheiten waren im vergangenen Sommer unerwartet über die Grenze hinweg in Richtung der westrussischen Stadt Kursk vorgestoßen und hatten dabei größere Geländegewinne erzielt. Eine ausführliche Rekonstruktion des ukrainischen Angriffs lesen Sie hier.
Russland hatte später rund 50.000 Soldaten, unter ihnen rund 10.000 Kämpfer aus Nordkorea, zu einer Gegenoffensive zusammengezogen. Bis zu dem neuen Gegenstoß der Ukrainer hatte das russische Militär knapp die Hälfte des besetzten Gebiets in monatelangen schweren Kämpfen zurückerobert.
Die neue Offensive rund zwei Wochen vor der Amtseinführung Trumps könnte Beobachtern zufolge dazu dienen, russische Schwächen aufzuzeigen. Damit will sich Kyjiw womöglich in eine bessere Position bei den erwarteten Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges bringen.