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Stimmverhalten von Union und AfD im Bundestag Holocaustüberlebender Weinberg will Bundesverdienstkreuz zurückgeben

Die Union hat mit der AfD einen Antrag zur Migrationspolitik durchgebracht. Der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg kündigt nun die Rückgabe seines Bundesverdienstkreuzes an. Der Fotograf Luigi Toscano will es ihm gleichtun.
Albrecht Weinberg in seiner Wohnung in Ostfriesland

Albrecht Weinberg in seiner Wohnung in Ostfriesland

Foto: Sina Schuldt / dpa

Der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. Er reagiert damit auf einen Vorfall vom Mittwoch, als die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsantrag zur Migrationspolitik durchgebracht hat. Der Vorfall hat breite Kritik ausgelöst, unter anderem von Altbundeskanzlerin Angela Merkel.

Weinberg ist schockiert über das Abstimmungsergebnis im Bundestag. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, das Bundesverdienstkreuz, das eine hohe Ehre für ihn darstelle, zurückzugeben. »Ich habe es gern mal angesteckt«, sagte Weinberg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland . »Wissen Sie, nach allem, was ich in Deutschland erlebt habe als Jude, erfüllte mich das mit Stolz. Ich fühlte eine große, große Ehre, als ich es 2017 erhielt« wird der 99-Jährige zitiert. »Nun aber will ich es nicht mehr.«

Weinberg überlebte die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz und Bergen-Belsen sowie mehrere Todesmärsche. Seine Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA nach Leer zurück, in seine ostfriesische Heimat. (Lesen Sie hier mehr über das Leben von Albrecht Weinberg .) Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen.

Das will er auch weiter tun. »Ich gehe in den letzten zehn Jahren in Schulen und spreche zu Schülern, was sein kann und was würde sein, wenn die die Macht wieder übernehmen«, sagte Weinberg mit Blick auf die AfD. »Die haben ja keine Ahnung, wie das ausgesehen hat 45 in Deutschland.« Er hoffe, dass die Menschen zur Vernunft kommen. »Politik ist ein komisches Geschäft.«

Fotograf Luigi Toscano fühlt sich um seine demokratischen Werte verraten

Der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano hat auf Instagram angekündigt , dem Beispiel seines Freunds Weinberg zu folgen. Toscano engagiert sich ebenso wie Weinberg für NS-Gedenken. Er werde die ihm 2021 verliehene Ehrung zusammen mit Weinberg zeitnah in Berlin an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben. »Entweder empfängt uns der Bundespräsident, oder wir werfen es bei ihm in den Briefkasten«, sagte er. Er sei erschüttert, empört und aufgewühlt über das, was am Mittwoch im Bundestag geschehen sei. »Ich bin um meine demokratischen Werte verraten worden«, sagte Toscano der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Toscano, Fotograf und Filmemacher, macht mit dem Erinnerungsprojekt »Gegen das Vergessen« die Schicksale der Überlebenden öffentlich und verschafft den letzten Zeitzeugen der NS-Verbrechen Aufmerksamkeit.

»Die Probleme, die wir haben mit der Migration, wir wissen, dass sie da sind, aber die dürfen wir nicht mit den Steigbügelhaltern der Rechten lösen«, sagte er weiter. Er erwarte von Demokraten eigentlich hundertprozentigen Einsatz für die Demokratie. Was gestern passiert sei, habe damit nichts mehr zu tun. »Die Symbolik und die Gefahren, die daraus resultieren, sind verheerend.«

Die Union hatte am Mittwoch ihren Fünfpunkteplan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen durch den Bundestag gebracht. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union zur Eindämmung der Migration ab. Neben der AfD signalisierten bereits FDP und BSW ihre Zustimmung.

mgo/dpa