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Proteste in der Türkei Oppositionspartei CHP wählt İmamoğlu trotz Haft zum Präsidentschaftskandidaten

Die Inhaftierung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu mobilisiert in der Türkei Millionen Menschen. Mitglieder seiner CHP stimmten nun trotz laufender Verfahren für den aussichtsreichen Erdoğan-Rivalen.
Ekrem İmamoğlu bei einer Kundgebung im Oktober 2024

Ekrem İmamoğlu bei einer Kundgebung im Oktober 2024

Foto: Erdem Sahin / EPA

Die Türkei kommt auch Tage nach der Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu nicht zur Ruhe. Am Sonntag votierten in einer parteiinternen Abstimmung 1,6 Millionen der 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für İmamoğlu als Präsidentschaftskandidaten, wie Parteichef Özgür Özel am Abend bei einer Kundgebung in Istanbul sagte.

Özel sprach von einer »historischen Wahl«. Doch wegen der gegen İmamoğlu laufenden Ermittlungen, die das Land seit Tagen in Aufruhr versetzen, steht ein großes Fragezeichen hinter der politischen Zukunft des 53-Jährigen. İmamoğlu galt als aussichtsreicher Herausforderer des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

İmamoğlu war am vergangenen Mittwoch im Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorermittlungen festgenommen und schließlich am Sonntag wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft überführt worden. Überdies werden Terrorermittlungen gegen ihn geführt. Die Verfahren gegen den CHP-Politiker gelten als politisch motiviert, İmamoğlu bestreitet alle Vorwürfe.

Der Istanbuler Oberbürgermeister gilt als aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei der für 2028 angesetzten Wahl. Seit der Festnahme gibt es landesweite Proteste dagegen – mittlerweile den fünften Tag in Folge.

Zusätzlich zu der offiziellen Wahl innerhalb der CHP hatte die Partei sogenannte Solidaritätswahlboxen aufgestellt – dort konnten Menschen symbolisch ihre Stimme für İmamoğlu abgeben. Özel zufolge käme man nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte der Solidaritäts-Urnen bereits auf mehr als 13 Millionen symbolische Stimmen für İmamoğlu. Die Türkei hat 85,6 Millionen Einwohner.

Bestätigung durch die Wahlbehörde unwahrscheinlich

Offizieller Kandidat ist İmamoğlu erst, wenn die als regierungsfreundlich geltende türkische Wahlbehörde YSK seine Kandidatur bestätigt. Sollten die Ermittlungen nicht eingestellt werden, ist die Annahme seiner Kandidatur unwahrscheinlich.

Die Proteste gegen die Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeisters dauern indes – trotz Demonstrationsverboten – auch in Istanbul und der Hauptstadt Ankara an.

In Istanbul fanden sich vor der Stadtverwaltung auf dem Sarachane-Platz Hunderttausende ein. Die CHP sprach von einer Million Teilnehmern. Von lokalen Behörden gibt es keine Angaben zu der Größe der Demonstrationen. Die Polizei setzte Berichten zufolge am späten Abend Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstrierenden ein. Laut Innenministerium wurden rund 700 Menschen festgenommen.

Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Istanbul am Sonntag

Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Istanbul am Sonntag

Foto: Francisco Seco / AP / dpa

»Ich grüße die Millionen, die heute Abend auf dem Sarachane-Platz und auf den Plätzen überall in meinem Land ihre Stimme erhoben haben«, hieß es in einer Mitteilung, die auf İmamoğlus X-Account veröffentlicht wurde. »Sie haben Erdoğan gesagt: ›Jetzt reicht es!‹«

fek/AFP/dpa