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Ausland Korruptionsvorwürfe

Sarkozys bissige und pathosreiche Kampfansage

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"Gegenüber seinem Land hat man nur Pflichten und keine Rechte": Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy bei seinem TV-Auftritt
Quelle: AFP
15 Stunden wurde Nicolas Sarkozy in Polizeigewahrsam vernommen. Jetzt wehrt er sich in einem Interview gegen die Korruptionsvorwürfe und bläst zum Gegenangriff. Der Ex-Präsident hat ein großes Ziel.

Wenn alles schief läuft, dann geht Nicolas Sarkozy gern ins Fernsehen und gibt dort ein Interview, um sich zu erklären. Das hat er als Präsident so gehalten, und er tut es auch als Ex-Präsident, der unter Korruptionsverdacht steht.

Die 15 Stunden, während der er am Dienstag in Polizeigewahrsam vernommen worden ist, haben ihm offensichtlich stark zugesetzt. Ein immer noch aufgebrachter Ex-Präsident antwortete am Mittwochabend zur besten Sendezeit auf die Fragen zweier Journalisten, vor allem jedoch gab er Erklärungen in eigener Sache ab. Es wurde ein verbaler Rundumschlag, in dem Sarkozy eine „instrumentalisierte Justiz“ angriff und einer der gegen ihn ermittelnden Untersuchungsrichterinnen politische Motive unterstellte.

Zugleich verwahrte er sich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Sarkozy wirkte dabei stellenweise wie ein Kampfhund, dem man drei Dosen Redbull ins Futter gemischt und den man danach in die Besenkammer gesperrt hatte.

„Ich habe nie gegen rechtsstaatlicher Prinzipien verstoßen, Vertrauen verraten oder die Werte der Republik“, versicherte Sarkozy. Gegen Ende des zwanzigminütigen Interviews, das am Mittwochabend zeitgleich im Fernsehsender TF 1 und auf dem Radiosender Europe 2 ausgestrahlt wurde, erklärte Sarkozy, dass er eine Kandidatur für den Vorsitz der konservativen UMP trotz des nun eingeleitete Ermittlungsverfahrens nicht ausschließe.

Sarkozy gibt sich „zutiefst schockiert“

Im November will die krisengebeutelte Partei einen neuen Vorsitzenden wählen. Er werde überlegen und Ende August, Anfang September seine Entscheidung bekannt geben. Man kann dies wohl als Ankündigung der Ankündigung seiner Kandidatur werten.

Auch die Formulierung, dass er „schon morgen wieder Verantwortung in der Opposition“ übernehmen könne, deutet darauf hin. Sarkozy will zurück auf die politische Bühne, möglicherweise auch, weil er davon ausgeht, das Rampenlicht auch für seine juristische Verteidigung zu nutzen.

Oder zumindest zur Ausleuchtung der Ablenkungsmanöver, die seine Verteidigungsstrategie bislang prägen. Zum konkreten Verdacht der „aktiven Korruption“ und der „Einflussnahme“ äußerte sich Sarkozy im Verlauf des Interviews vergleichsweise zurückhaltend. Immer wieder jedoch tat er die erhobenen Vorwürfe wahlweise als „absurd“, „grotesk“ oder „verrückt“ ab.

Sarkozy stilisiert sich als Justizopfer

Sarkozy zielt darauf ab, sich als Opfer eines politisch instrumentalisierten Justizapparates darzustellen. „Ich glaube, dass die Lage hinreichend ernst ist, um den Franzosen mitzuteilen, dass es in Teilen des Justizapparates eine politische Instrumentalisierung gibt.“

In Frankreich, dem Land der Menschenrechte und des Rechtsstaates „gibt es Dinge, die im Begriff sind organisiert zu werden“, raunte Sarkozy. Das müssten die Franzosen wissen, um dann selbst urteilen zu können, was gerade vor sich gehe.

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Er sei jedenfalls „zutiefst schockiert“ über das, was vorgefallen sei. Er verlange keine Privilegien und werde „alle Folgen tragen, sollte ich einen Fehler begangen haben.“ Er sei kein Mann, der vor Verantwortung fliehe, sagte Sarkozy.

Der Wunsch, an die Macht zurückzukehren

Auch dies darf man als diskreten Hinweis darauf werten, dass er gern bald wieder Verantwortung ausüben möchte. Ebenso wie seinen Hinweis am Ende des Interviews, dass man „Pflichten gegenüber seinem Land habe“.

Die schwierige Lage Frankreichs mache ihn betroffen. Er brenne weiter leidenschaftlich für sein Land und sei kein Mann, der aufgebe. Spätestens da sollten alle die Botschaft verstanden haben: Was Sarkozy trotz aller juristischen Unbill nicht aufgeben will, ist der Wunsch an die Macht zurückzukehren.

Die Anstrengungen der Justiz, ihn der „aktiven Korruption“ zu überführen sind aus Sicht Sarkozys vor allem politische Maßnahmen, die letztlich verhindern sollen, dass er den aktuellen Präsidenten noch einmal herausfordern kann.

Eine der beiden leitenden Untersuchungsrichterinnen, die das Ermittlungsverfahren wegen aktiver Korruption gegen ihn eingeleitet hat, beschimpfte Sarkozy etwa als politisch voreingenommene Gewerkschaftsaktivistin: „Ist es normal, dass man eine Untersuchungsrichterin betraut, die der (linken Richter-Gewerkschaft) „Syndicat de la Magistrature“ (SM) angehört, deren politische Obsession es ist, die Person zu zerstören, über die sie be- und entlastendes Material ermitteln soll?“, fragte der Ex-Präsident.

Während seiner Amtszeit hatte Sarkozy viele Mitarbeiter der Justizbehörden durch eine Justizreform gegen sich aufgebracht, die unter anderem die Unabhängigkeit der Untersuchungsrichter beschnitt. Die Proteste der Richter und Staatsanwälte tat Sarkozy seinerzeit als die Äußerungen von „Leichtgewichten“ ab. Sympathien brachte ihm das in diesem Berufsstand verständlicherweise nicht ein.

„In 35 Jahren nichts Illegales nachgewiesen“

Die Tatsache, dass er nun mehr als 15 Stunden ohne Rechtsbeistand befragt wurde – und danach von fünf Polizisten um Mitternacht den beiden Untersuchungsrichterinnen vorgeführt wurde, die ihm die Aufnahme des Ermittlungsverfahrens mitteilten, wertet Sarkozy als Ausdruck des Willens „mich zu erniedrigen“.

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Der Kern der Anschuldigungen sei „grotesk“ erklärte Sarkozy. So habe er es etwa stets abgelehnt, sich für den Richter am Kassationsgericht, Gilbert Azibert einzusetzen, der einen Posten an einem Gericht in Monaco anstrebte.

Es habe keinerlei Versuche gegeben die Entscheidung zu beeinflussen – und Azibert habe den Posten schließlich auch nicht erhalten. Azibert ist mit Sarkozys langjährigem Anwalt Thierry Herzog befreundet und soll diesem relevante vertrauliche Informationen geliefert haben, die im Zusammenhang mit der Bettencourt-Affäre standen, über welche des Kassationsgericht zu entscheiden hatte.

Sarkozy bestritt nun vehement, dass er oder sein Anwalt versucht hätten, Azibert zu beeinflussen oder gar zu bestechen. Man habe sich lediglich unter Freunden unterhalten. Wenn linke Justizbeamte sich mit linken Politikern austauschten, sei das offenbar normal, nur wenn es jemand sei, der den Überzeugungen unserer politischen Familie nahestehe, dann sei es ein Problem, spottete Sarkozy.

Auch was den Verdacht der illegalen Finanzierung seiner Präsidentschaftskampagne 2007 (durch Gaddafi) und 2012 (durch überhöhte Rechnungen der Event-Firma Bygmalion) angehe, habe er sich nichts vorzuwerfen. Er sei seit 35 Jahren in der Politik, niemand sei mehr durchleuchtet worden als er, und nie habe man ihm irgendetwas Illegales nachgewiesen.

Die Frage des Verzichts stelle sich nicht

Im Übrigen, so Sarkozy, sei es doch erstaunlich, dass man wegen angeblicher Gaddafi-Spenden im Jahr 2007 im September 2013 veranlasse, seine Telefongespräche abhören zu lassen. „Was haben die erwartet, dass Gaddafi mich anruft“, blaffte Sarkozy. Und man möge sich doch bitte mal den Skandal vorstellen, den es gegeben hätte, wenn während seiner Amtszeit aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen François Hollande abgehört worden wäre.

Tatsächlich brachten die Abhörmaßnahmen bislang offenbar keine neuen Hinweise, die den Verdacht einer Gaddafi-Connection hätten erhärten können. Stattdessen aber belauschten die Ermittler auf die Gespräche zwischen Herzog und Sarkozy über ihren „Freund“ Azibert am Kassationsgericht.

Ob er angesichts der Vorwürfe seinen Verzicht auf eine mögliche Kandidatur für den Parteivorsitz im Herbst erklären wolle, fragten die Interviewer Sarkozy am Ende des Gesprächs und lieferten ihm damit die perfekte Vorlage für eine pathosreiche Kampfansage.

Die Frage des Verzichtes stelle sich für ihn nicht, so Sarkozy, denn „gegenüber seinem Land hat man nur Pflichten und keine Rechte“ erklärte der Ex-Präsident. Er sei ein Mann der sich von „Bösartigkeiten und politischen Manipulationen“ nicht entmutigen lasse.

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